WISSENSCHAFT
Historische Fetus-Darstellungen
Eucharius Rößlin, Hebam[m]enbüchlein. 1608. Quelle: Historische SUB Göttingen (Foto: Corinne Iffert).
Bildliche Fetus-Darstellungen werden auf unterschiedliche Weise kontextualisiert. Mal bildet das Ungeborene eine Einheit mit dem Mutterleib, mal nur mit dem Uterus und mal wird es ohne Beziehung zu seiner Umgebung dargestellt. Alle drei Darstellungsarten existieren heute parallel, sie entspringen jedoch unterschiedlichen profanen sowie christlichen Traditionslinien.
Die früheste bekannte Darstellung eines Fetus stammt aus der spätgriechischen Antike. Im 2. Jh. verfasste der Arzt Soranos von Ephesos seine Schrift Die Gynäkologie. Darin befindet sich die Zeichnung eines Ungeborenen in einem vasenförmigen Uterus mit Öhrchen. Fetus und Uterus bilden eine vom Mutterleib losgelöste Einheit nach der Vorstellung Platons und Sokrates‘ als „innewohnendes lebendiges Gebilde, welches die Begierde nach Kinderzeugung in sich trägt“.
Ab dem späten 13. Jh. entstand im sakralen Kontext mit der Maria gravida eine neue Darstellungsart ungeborenen Lebens. Jesus und andere Heilige wurden im geöffneten Leib der schwangeren Mutter gezeigt. Der Uterus trat nicht sichtbar hervor und war schon gar nicht losgelöst von der Schwangeren denkbar.
In der Frühen Neuzeit wurde durch detaillierte Ausarbeitung der genannten Darstellungsarten die komplexeren Zusammenhänge der Embryologie herausgearbeitet. So in Hebammenbüchern des 16. Jhs. Zugleich zeigte u.a. der Arzt Juan Valverde den Fetus nun auch losgelöst von jeglicher ihn umgebender Materie. Generell herrschte in der Neuzeit bezüglich der visuellen Ästhetisierung eine Art Aufbruchstimmung. Dies zeigt sich u.a. in der Verflechtung von wissenschaftlichem Anspruch mit sakralen Bildtraditionen und sensationslüsterner Inszenierung bis hin zum Grotesken.