AUSSTELLUNGSPROJEKT
Wie viele andere Sammlungen in Universität und Wissenschaft auch ist die „Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt“ öffentlich zugänglich. Die Ausstellung enthält ausschließlich 61 großformatige Kunststoffmodelle von Embryonen in verschiedenen Entwicklungsstadien. Beschilderungen beschränken sich auf den Entwicklungsmonat und die Größe des Originalpräparates. Zusätzliche Informationen fehlen vollständig, was es Laien nahezu unmöglich macht, die Ausstellung einzuordnen. Auf den ersten Blick kann schnell der Eindruck entstehen, es handele sich um eine Art kuratierte Aufstellung, die sich eher an ein Fachpublikum richtet. Diese Vermutung liegt nicht fern, denn die Modelle werden auch heute noch von verschiedenen Gruppen für Fortbildung und Lehre genutzt. Zugegebenermaßen waren auch wir etwas überfordert, als wir zum ersten Mal im Keller des Instituts standen.
Wir, das sind die Teilnehmer*innen des Master-Lehrforschungsprojektes 2019/20 des Instituts für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie an der Georg-August-Universität Göttingen, aus dem diese Publikation hervor gegangen ist. Über zwei Semester hat sich unser Team aus zehn Studierenden der Kulturanthropologie und Kunstgeschichte unter der Leitung von Dr. Michael Markert mit der Humanembryologischen Dokumentationssammlung Blechschmidt (im Folgenden Blechschmidt-Sammlung genannt) auseinandergesetzt. Das Ziel war von Anfang an gesetzt: Am Ende des Projektes sollte die Dauerausstellung durch eine von uns erarbeitete Sonderausstellung ergänzt werden.
Nach einer ersten kurzen Recherche zur Person Blechschmidt und der Sammlung waren wir nicht viel schlauer, denn es gibt nur wenige Quellen, die sich mit der Sammlung und ihren Hintergründen auseinandersetzen. Darüber hinaus gehen die Informationen dieser Quellen teils weit auseinander. Dies liegt unter anderem in der schlechten Dokumentation der Prozesse begründet, die zur Entstehung der Sammlung beitrugen. Bei einem Luftangriff 1945 wurde das Anatomische Institut in Göttingen komplett zerstört. Wichtige Unterlagen und Präparate wurden vernichtet, was eine historische Recherche zusätzlich erschwert. Außerdem finden sich in den Unterlagen zur Sammlung und den einzelnen Präparaten (wie beispielsweise Briefwechsel, Einlieferungsprotokolle, etc.) kaum Hintergrundinformationen zu Herkunft und Entstehungskontext. Wie sollten wir nun bei dieser doch recht dürftigen Quellenlage die Sammlung aufarbeiten und mit zusätzlichen Informationen versehen, um den Aufstellungscharakter der Sammlung zu durchbrechen und eine Ausstellung daraus zu machen?
Durch die inhaltliche Auseinandersetzung ergaben sich im Prozess drei Themenbereiche, die wir im Kontext der Sammlung tiefergehend bearbeiten wollten: Sammlung, Wissenschaft und Gesellschaft.
Zum Thema Sammlung erarbeiteten wir geschichtliche Hintergründe zur Ausstellung. Hier geht es vor allem um den Entstehungskontext der Blechschmidt-Sammlung und historische Faktoren, die dabei eine Rolle spielten. Unter dem Thema Wissenschaft finden sich Auseinandersetzungen mit der Arbeitsweise von Wissenschaft und Forschung. Das Thema Gesellschaft behandelt den Umgang mit Schwangerschaft und Geburt in einem breit gefassten, gesellschaftlich orientierten Kontext.
Jede*r von uns verfasste einen Essay zu einem selbst gewählten Schwerpunkt. So entstanden insgesamt elf Texte zu unterschiedlichsten Themen bezüglich der Blechschmidt-Sammlung.
Im zweiten Projektsemester ging es darum, aus dem bisher Erarbeiteten eine präsentationswürdige Ausstellung zu konzipieren. Nachdem wir dann die Rahmenbedingungen mit dem Anatomischen Institut geklärt hatten, konnten wir mit der Planung unserer Sonderausstellung beginnen.
Die im vorigen Semester angefertigten Essays dienten als Grundlage für unsere Ausstellungstexte – eine für viele von uns gänzlich neue Textform – waren wir es doch gewohnt, überwiegend akademische Texte zu verfassen. Die Herausforderung bestand darin, die Essays so zu kürzen, dass sie einen möglichst kurzen, dennoch informativen und vor allem leicht verständlichen Ausstellungstext ergeben. Nach mehreren Feedbackrunden waren die Texte präsentationswürdig.
Unser Lehrforschungsprojekt startete im Sommersemester 2019. Die überarbeitete Sonderausstellung sollte im Sommer 2020 für Besucher*innen geöffnet werden. Der Aufbau war beinah vollendet, jedoch konnten Fertigstellung und Eröffnung aufgrund der Corona-Pandemie leider nicht durchgeführt werden. Damit unsere viele Arbeit jedoch nicht komplett im Nichts verpufft, haben wir die Ausstellung kurzerhand digitalisiert. Unter „digitale Ausstellung“ finden sich, in die drei Themenbereiche unterteilt, unsere Ausstellungstexte mit Fotografien der jeweiligen Exponate. Darüber hinaus haben wir ergänzend zur Ausstellung eine Publikation mit tiefer gehenden Informationen erstellt. Diese ist über den Göttinger Univerlang erhältlich.
Studierende in alphabetischer Reihenfolge
Hannah Miriam Carstens
Anna Domdey
Vincent Gunkel
Corinne Astrid Iffert
Alicia Kersting
Jakob Christian Krahl
Anna Nekhamkis
Hanna Neumann
Denise Simone Walter
Katharina Weber
Dozent
Dr. Michael Markert
Danksagung
Für die Möglichkeit der Nutzung der Räume des Zentrum Anatomie für die Vorbereitung der Ausstellung, die Unterstützung bei der Umgestaltung der Räumlichkeiten, zahlreiche Leihobjekte sowie die fachliche Beratung danken wir der Abteilung Anatomie und Embryologie am Zentrum Anatomie der Universitätsmedizin Göttingen, im Speziellen Prof. Dr. Christoph Viebahn (Abteilungsleiter), PD Dr. Jörg Männer (Kustos der Sammlung), Hannes Sydow sowie Gert Krope. Ferner danken wir unseren in der Ausstellung namentlich genannten LeihgeberInnen.
Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die finanzielle und organisatorische Unterstützung des Instituts für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Georg-August-Universität Göttingen. Besonderer Dank gebührt Prof. Dr. Regina Bendix für die zusätzliche Unterstützung bei der Finanzierung der Begleitpublikation sowie Esther Lauer (Sekretariat) für die Projektabrechnung.
Für die Umsetzung der digitalen Ausstellung im Bereich Design, Logogestaltung und Bildbearbeitung gilt ein besonderer Dank Corinne Iffert.