GESELLSCHAFT
Subjekt Fetus?
3D Ultraschallbilder 19.12.2019 Die Bilder zeigen einen Fetus im 6. Monat. Der Fokus auf das Gesicht des Fetus verdeutlicht dessen Subjektivierung. Leihgabe einer schwangeren Frau
Bilder von Embryonen und Feten sind heute geläufig. Während diese früher WissenschaftlerInnen vorbehalten sind, sind sie heute fest in der Alltagsästhetik verankert. Mit dem Forschen am Prozess der Schwangerschaft ändert sich die Bedeutung des Fetus und der schwangeren Frau. Technische Entwicklungen, wie das Ultraschallgerät, ermöglichen einen Blick in das Körperinnere. Virtuell löst das die Verbindung zwischen werdender Mutter und Fetus auf. Die Frau ist auf dem Bild unsichtbar, der ungeborene Fetus wird sichtbar.
Der freie Blick auf den heranwachsenden Fetus dient der Kontrolle der fetalen Entwicklung. Durch das Ausblenden des Frauenkörpers erfährt dieser einen Bedeutungsverlust. Er wird zu einem überwachten Umfeld. Der Fetus hingegen gewinnt an Bedeutung, da die Grenze zwischen ihm und der Außenwelt gelöscht wird. Ihm werden mithilfe der Bilder individuelle Merkmale zugesprochen, die der Mutter oder dem Vater ähneln. Feten erhalten dadurch einen Subjekt-Status. Sie werden als eigenständige Menschen wahrgenommen.
Bildgebende Verfahren drängen somit persönliche Wahrnehmungen der schwangeren Frau in den Hintergrund und rücken den Fetus in den Fokus. Ohne den Frauenkörper dargestellte Feten verlagern die Eindrücke der schwangeren Frau aus ihrem Körper heraus. Durch das Auslöschen der lebenswichtigen Verbindung des Fetus zu dem Frauenkörper ist die werdende Mutter auf ein Versorgungssystem reduziert. Die Überprüfung und Darstellung der fetalen Entwicklung ermöglicht demnach einen Machtverlust der persönlichen Wahrnehmung der schwangeren Frau. Virtuelle Eindrücke überlagern oder löschen die individuellen Empfindungen während der Schwangerschaft. Dieser Verlust wird von der Medizinhistorikerin Barbara Duden als „Entkörperung“ beschrieben.